(Spinnenphobiker, bitte aufpassen!!!)
Immer wieder werde ich darauf angesprochen, dass Geier doch eigentlich hässliche Tiere sind. In meinen Augen sind sie wunderschön, aber vermutlich für viele andere Leute nicht. Genauso wie für mich Spinnen die fiesesten Tiere der Welt sind und andere Leute sie wunderschön finden. Schon immer habe ich mich vor Spinnen geekelt. Es war mir auch immer egal, ob sie giftig sind oder nicht, denn meine Angst bezog sich eher auf die Herzinfarkt-Gefahr, wenn ich nur so ein pelziges Biest sehe. Zweimal bin ich beim Anblick eines Riesenmonsters unkontrolliert durchgedreht, mit Heulanfällen, Zittern, Panik und einer schlaflosen Nacht. Damals konnte ich nichtmal mehr die Augen zumachen, weil ich sofort ein haariges Spinnenbein vor Augen hatte. Wem wäre es da zu verdenken, dass ein beliebtes Motto lautet: Nur eine tote Spinne ist eine gute Spinne.
Ich war schon immer ein Befürworter der Konfrontationstherapie, die bei Spinnenphobien offenbar das effektivste Gegenmittel ist. Aber mal ehrlich: Wer möchte sich schon gerne darauf einlassen stundenlang Spinnenbilder anzuschauen und die ganze Zeit dran zu denken, dass dir das Biest später über die Hand krabbelt? Widerlich! Aber sich die Urlaubsfreude durch die Angst vermiesen lassen, dass es zu unfreiwilligen Begegnungen mit Achtbeinern kommt, ist ja auch doof. Vor allem letztes Jahr vor meinem Ohrengeier-Einsatz in Namibia hatte ich Riesensorgen, weil wir ja in der Wüste und in Zelten geschlafen haben. Abends im Dunkeln am Lagerfeuer sitzen und wissen, dass die Biester nachtaktiv sind… da waren die Horrorvisionen vorprogrammiert. Letztendlich habe ich in den zwei Wochen vor Ort keine einzige gesehen, hatte aber zwei Monate lang vorher ein mulmiges Gefühl. Damit wollte ich nicht für den Rest meines Lebens leben.
Manchmal kommt ein Zufall zum anderen und so habe ich über meine Bewerbung zum „Noah 2015“ im Zoo Duisburg den Dozenten des Spinnen-Seminares im Zoo kennengelernt. Nach diversen „Gesprächen“ über das unliebsame Viehzeugs habe ich mir überlegt den Viechern endlich eine Chance zu geben und das Seminar zu besuchen. Gerade als Geierfreund weiß ich ja, wie schwierig es ist Leute von der wahren Schönheit meiner Lieblingstiere zu überzeugen bzw. zumindest Verständnis für sie aufzubauen. Wie könnte ich mich da weiterhin verschließen, wenn plötzlich ein Spinnenfreund vor mir steht und um mehr Verständnis wirbt? Klar, Worte wie „Schönheit“ verbinde ich definitiv nicht mit Spinnen, aber vielleicht kann es wirklich nicht schaden mir einiges über die Biester anzuhören und mich sensibilisieren zu lassen. Vielleicht sitzt ja dann eines Tages die Hand nicht mehr so locker an der Fliegenklatsche, sondern ich fange an Spinnen lebend aus meiner Wohnung zu befördern!?
Über Monate konnte ich mich nun mit dem Gedanken anfreunden tatsächlich dieses Spinnen-Seminar zu besuchen und gegen Ende hin habe ich mich fast schon drauf gefreut. Daher auch eine erste Mutprobe mit diesen beiden pelzigen Spinnen im Zoo Leipzig:
Eine Woche später wurde es dann ernst. Mit einem Kollegen zur Unterstützung ging es mit schweißnassen Händen zum Spinnen-Seminar! Vorher holte ich mir allerdings noch etwas seelischen Beistand bei den Duisburger Gänsegeiern und Marabus.
Und immer schön daran denken: Würde eine fette, haarige Spinne auf ein ängstliches Geierküken zukrabbeln, dann würde ich auch ohne Spinnen-Seminar keine Sekunde zögern das Geierküken zu retten! Jetzt muss ich das Gleiche irgendwie auch für mich selber schaffen!
Das Seminar war gut besucht und die Angst und Skepsis stand den Teilnehmern deutlich ins Gesicht geschrieben. Vor allem bei dem Anblick der durchsichtigen Behältnisse, in denen sich eindeutig lebende Spinnen befanden. Zur ersten Überwindung ging allerdings erstmal eine Stoffspinne mit großen Kulleraugen reihum, genau wie die aus dem Zoo Leipzig. Nette Auflockerungsübung, aber die Anspannung wollte dennoch nicht nachlassen. Es folgte eine Präsentation über wichtige Aspekte, die man über Spinnen wissen sollte. Allerdings untermalt mit zahllosen Bildern dieser ziemlich unattraktiven Geschöpfe. Auf Großleinwand sahen viele in meinen Augen absolut fies und gruselig aus. Immerhin war es ein kleiner Trost, dass es manchmal ein zweites Bild gab, wo das Monster neben einem Zollstock saß und plötzlich gar nicht mehr so riesig wirkte. Da kam direkt der Gedanke auf: "Mit einem stabilen Schuh würde ich mich gerade noch trauen das Vieh plattzutreten!" Komischerweise meldete sich sofort das schlechte Gewissen, weil ich ja eigentlich zu dem Seminar wollte, um Spinnen in Zukunft nicht mehr zu töten. Der Gedanke war dennoch beruhigend. Ganz ekelerregend war das Video einer Vogelspinnenpaarung, wo der haarige Pelzwuschel plötzlich nicht nur 8 haarige Beine hat sondern sogar 16! HORROR!!!
Zwischendurch wurden kleinere Spinnen in Plastikbechern rumgereicht sowie die Häutung von fetten Haarigen. Normalerweise kann ich mir sowas nicht angucken, weil die Dinger ja wie ausgestopfte Spinnen aussehen. Aber wenn ich schon da bin, dann muss ich da wohl durch. Der Anblick reichte allerdings auch mit ausgestrecktem Arm - ich will ja nicht direkt übertreiben. Schließlich kam dann aber der große Moment, auf den wir alle mit Spannung und Ekel gewartet haben: Die Vogelspinne wurde aus ihrer Box freigelassen. Angeblich hat sie mehr Angst vor uns als wir vor ihr. Haha, dass ich nicht lache! Sie bewegt sich auch vor Angst nicht, wenn sie erstmal auf einer menschlichen Hand sitzt. Sehr überzeugend, wenn das Biest munter kreuz und quer über die Hände des Dozenten krabbelt, seinen Arm hochwetzt und es sich in seinem Nacken bequem macht - während wir vor Ekel halb unterm Tisch versinken. Brrrrrrrrrrr. Aber Hut ab, wie ruhig der Spinnen-Trainer dabei bleiben konnte. Als er mit der Spinne im Nacken tiefenentspannt die zweite Vogelspinne zu Vorführzwecken aus einer Box holte, schätzte ich kurz den Abstand zum Fenster ab. Der direkte Fluchtweg durch die Tür war leider von zwei Vogelspinnen versperrt. Nachdem die aktive Vogelspinne eingefangen war und die zweite Vogelspinne wesentlich ruhiger wirkte, klappte es auch wieder mit dem Atmen. Während ich zuschaute, wie sich die anderen Teilnehmer nach und nach an die Spinne rantrauten, versuchte ich verzweifelt die feuchten Hände unter Kontrolle zu bekommen. Aber hey, weder hysterischer Kreischanfall noch Heulattacke. Daher nicht lange überlegen, sondern Vogelspinne schnell auf die Hand setzen.
Brrr, ich kann es noch immer nicht glauben, dass ich es tatsächlich geschafft habe. Vermutlich habe ich einfach unter Schock gestanden und es deshalb ertragen. Und netterweise ist die Spinne brav sitzen geblieben, so dass mir der Anblick beweglicher, haariger Spinnenbeine auf meiner Hand erspart geblieben ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich sie sogar etwas näher zu mir holen, aber auf Kuschelkurs muss ich mit dem Biest nicht gehen. Da ist mir ein pelziges, wuscheliges Geierküken tausendmal lieber!!! Ich bin aber wirklich erstaunt, wie leicht so ein Riesenmonster ist. Das wurde mir zwar vorher bereits mitgeteilt, aber richtig glauben konnte ich es nicht.
Offenbar ekeln sich viele Teilnehmer eher vor den wesentlich kleineren, haarlosen Hausspinnen, die wir später auch auf die Hand nahmen. Das kann ich nicht wirklich nachvollziehen, da bei mir der Ekelreflex eindeutig die haarigen Beine sind. Natürlich ist es nicht schön, wenn die Hausspinnen in einem Affenzahn über Hände und Arme rennen, aber selbst das konnte ich später ertragen. Insgesamt war das Spinnen-Seminar also tatsächlich ein großer Erfolg. Bis zuletzt hatte ich gedacht, dass ich zwischendurch abbrechen oder einen Anfall kriegen würde und zu 95 % KEINE Vogelspinne auf die Hand nehmen würde. Aber irgendwie hat es doch geklappt. Vermutlich war mein Stolz größer als mein Ekel, aber vielleicht lag es auch einfach an dem geübten Seminar-Leiter, der aus langjähriger Erfahrung die Ängste der Teilnehmer kennt und richtig gut damit umgehen kann.
Überraschenderweise hatte ich in der folgenden Nacht keine Spinnen-Albträume und konnte nach 4 Jahren endlich Yonase verzeihen, der mir damals im Andenkondor-Projekt in Ecuador den zweiten Anfall meines Lebens beschert hatte, indem er mir vorm Schlafengehen das riesige Tarantel-Monster an unserer Glastür gezeigt hatte. Und ich konnte mir nach 9,5 Jahren die Foto-CD meines Australien-Mitreisenden anschauen, der mir damals seine Fotos leider inklusive Spinnenbilder gebrannt hatte - und die Viecher vor Ort waren nicht gerade klein (dort hatte ich übrigens den ersten Anfall meines Lebens). Zumindest in der Hinsicht hat das Seminar wirklich geholfen!!! Vielleicht traue ich mich bald auch zum ersten Mal an die Spinnen-Szenen aus "Herr der Ringe - Teil 3" ran, die ich bisher immer vermieden habe anzuschauen.
Insgesamt bin ich total stolz, dass ich das Seminar überstanden habe und das Pelzmonster auf die Hand genommen habe! Natürlich werde ich auch weiterhin weniger begeistert sein, wenn mir so ein Vieh über den Weg krabbelt, aber ich fühle mich jetzt deutlich entspannter. Vermutlich wird nun im Urlaub die Sorge vor Gift und Spinnenbiss den Ekel überwiegen, aber ich will mal nicht die Spinne an die Wand malen. Jetzt feiere ich mich erstmal selber, dass ich es überlebt habe und meine größte Angst bekämpft habe. Wenn ich es jetzt noch schaffe die Spinnen ein wenig zu verniedlichen, dann kann ich den Erfolg hoffentlich noch etwas in die Länge ziehen.
Vielleicht liest ja eines Tages ein Spinnenfreund diesen Blogeintrag und stellt dabei fest, dass er vielleicht auch endlich den "hässlichen" Geiern eine faire Chance geben sollte. Dann hat sich meine Überwindung schon gelohnt! Und bekanntlich liegt die Schönheit im Auge des Betrachters!
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Philipp für das gute Zureden und das wirklich interessante Seminar bedanken! Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl ausgelacht zu werden, falls ich schreiend den Saal verlassen würde. Das hat enorm bei der Überwindung geholfen! Jedem, der sein Spinnen-Problem ernsthaft in den Griff bekommen möchte und selber bereit zur Konfrontation ist, werde ich Dein Seminar bestens weiterempfehlen!!!
Samstag, 10. September 2016
Plädoyer für hässliche Tiere
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