Dienstag, 31. Mai 2022

Vortrag über Bartgeier im Süden Afrikas

Seit gut zwei Jahren gibt es die Online-Vortragsserie „Conservation Conversations“ von BirdLife South Africa, bei der spannende Vorträge zum Vogelschutz vorgestellt werden. Auch Geier spielen hier hin und wieder eine Rolle, so dass ich mir den heutigen Vortrag von Sonja Krüger über den Bartgeierschutz im Süden Afrikas nicht entgehen lassen wollte.


Bisher stand ich mit Sonja nur sporadisch per E-Mail in Kontakt, aber ihre Kollegin Shannon Hoffman hatte ich Ende 2017 auf einer Bartgeierkonferenz in Frankreich kennengelernt, als sie einen Vortrag über die Arbeit des African Raptor Centre, des Bearded Vulture Recovery Programme und Bred4theWild gehalten hat. Sonja ist seit 2000 in den Bartgeierschutz im Süden Afrikas (Südafrika und Lesotho) involviert, hat dabei viele Höhen und Tiefen erlebt und 2014 sogar über den Bartgeier promoviert.

Geier sind die am rasantesten abnehmende Vogelart der Welt und auch um die Bartgeier steht es sehr schlecht. Vor allem die isolierte Unterart, die nur in Südafrika und Lesotho vorkommt, gilt als kritisch vom Aussterben bedroht, nachdem ihr Bestand in jüngster Zeit um über 30 % zurückgegangen ist. Die Hauptgründe hier Vergiftung, Zerstörung des Lebensraums, Störung der Brutgebiete, Kollisionen mit Stromleitungen, Nahrungsmangel und der Klimawandel. Über die weltweiten Bestandszahlen des Bartgeiers ist man sich nicht einig, sie werden auf etwa 2.000-10.000 Individuen geschätzt, darunter ca. 1.300-6.700 erwachsene Bartgeier.


Bis 2000 wurden die Bartgeier im Süden Afrikas nicht sonderlich gut erforscht. Die ersten Zählungen ergaben nüchterne Werte: Es waren nur noch 305-382 Individuen übrig, darunter max. 191-239 erwachsene, die wiederum nur 76-118 Paare bilden. Keine guten Aussichten für eine gesunde Population.


Es konnte beobachtet werden, dass viele Brutpaare ihre einstigen Brutgebiete aufgegeben haben. Gründe hierfür waren vorwiegend Stromleitungen oder menschliche Siedlungen, die sich in den Lebensraum der Bartgeier ausbreiteten. In Schutzgebieten fühlten sich die Bartgeier deutlich wohler, so dass dort ein leichter Anstieg an Brutpaaren erkannt werden konnte.

Über 20 Jahre wurden die Todesursache von 25 Bartgeiern untersucht. Gut 60 % der Verluste sind auf Vergiftungen (u.a. Blei) zurückzuführen. Zweitgrößte Ursache sind Kollisionen mit Stromleitungen. Weitere starben durch den Menschen und einige wenige aufgrund sonstiger oder natürlicher Ursachen. Zum Glück gibt es derzeit keine Windfarmen in den bevorzugten Bartgeiergebieten. Diese bergen nämlich ein großes Risiko, da Bartgeier bevorzugt in Höhe der Rotorblätter fliegen und diese im Flug nicht sehen können – genau wie Stromleitungen. Aktuell sind von Windfarmen hauptsächlich die ebenfalls vom Aussterben bedrohten Kapgeier gefährdet aufgrund diverser Windfarmen, die leider nahe der bekannten Kolonien gebaut wurden.


Die Auswertung des Bruterfolgs der wilden Population war ebenfalls ernüchternd. Nur etwa 54 % der Brutpaare starten Brutversuche. Von ihnen waren etwa 75 % erfolgreich und haben je ein Küken großgezogen. Damit liegt die Reproduktion bei 0,42 Küken pro Brutpaar pro Jahr. Eine schlechtere Quote gibt es eigentlich nur auf Korsika. In den Alpen und Pyrenäen liegt die Quote deutlich höher. Hauptursachen hierfür sind die hohen Verluste unter den Elterngeiern und Nahrungsmangel.

Seit 2009 wurden 25 Geier aus fünf verschiedenen Altersgruppen an Futterstellen eingefangen und mit GPS-Sendern ausgestattet wieder freigelassen. Leider sind die meisten mittlerweile verstorben oder haben ihren Sender verloren. Es konnten allerdings so viele Daten gesammelt werden, das vorerst keine Besenderungen wilder Bartgeier geplant sind. Anhand der Daten konnte festgestellt werden, dass jugendliche Bartgeier wesentlich größere Gebiete (ca. 30.000 km2) abfliegen als erwachsene Brutpaare, die sich auf ein Territorium von ca. 95 km2 beschränken. Die Junggeier sind damit deutlich mehr Risiken ausgesetzt, haben aber auch viel größere Chancen genügend Futter zu finden.

Im Rahmen des Bearded Vulture Recovery Programme, das durch Sonja Krüger koordiniert wird, soll der Schwund der wilden Bartgeier-Population gestoppt und wieder aufgebaut werden, damit es bis 2025 wieder mindestens 100 Brutpaare (333 Individuen)  in freier Natur gibt. Bis 2070 sollen es sogar wieder 150 Brutpaare (500 Individuen) werden. Dabei soll auch die Geburtenrate deutlich verbessert werden. Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Risiken für Bartgeier minimiert und ein Zuchtprogramm aufgebaut werden. Hierzu werden die Zweitgelege wilder Bartgeier aus den Nestern entfernt und in einem Zuchtzentrum künstlich ausgebrütet werden. Die Zweitgelege sind im Geiernest daran zu erkennen, dass sie kleiner sind als das Erstgelege. Die ersten Nachzuchten dienen dem Aufbau genetisch vielfältiger Brutpaare, deren Jungtiere später ausgewildert werden können. Da die Bartgeier-Unterart im Süden Afrikas so klein ist, werden auch später genetisch wertvolle Nachzuchten innerhalb des Brutprogramms bleiben, um diese Vielfalt sicherzustellen. Die übrigens Nachzuchten sollen mit GPS-Sendern ausgestattet ausgewildert werden.


In dem 2015 gestarteten Brutprogramm von Shannon Hoffmann leben mittlerweile 14 Geier, allerdings deutlich mehr Weibchen als Männchen. Da Bartgeier erst mit 7 Jahren geschlechtsreif werden, dauert es noch eine Weile, bis die neuen Junggeier selber brüten können. 2022 ist nun das erste Jahr, wo es überhaupt ein Brutpaar im Zentrum gibt. Ziel waren allerdings 5 neue Geier pro Jahr über 6 Jahre, also 30 Geier bis 2022. Dass das Ziel so deutlich verfehlt wurde, lag unter anderem an eingeschränkten Ressourcen, extremen Wetterereignissen, unbefruchteten Eiern, schwere Zugänglichkeit zu wilden Nestern, Reiseeinschränkungen und Vorgaben des Eier-Sammel-Protokolls. Wie die Brutsaison 2021 in dem neuen Bartgeier-Zuchtzentrum verlaufen ist, könnt ihr übrigens in meinem Februar-Artikel nachlesen. Das Brutcenter ist für die Öffentlichkeit zugänglich und bestimmt einen Ausflug wert, sollten man sich nahe Durban aufhalten.

Die Geierschützer geben sich von Rückschlägen jedoch nicht geschlagen und setzen sich weiter für den Erhalt der Bartgeier-Population ein!

Im Anschluss an den Vortrag gab es noch eine spannende Frage-Antwort-Runde. Die meisten Infos habe ich bereits in die obige Zusammenfassung des Vortrags eingebaut. Hier einige Zusatzinfos:

  • Insgesamt ist Gift das größte Problem für die Bartgeier. Es gibt viele Aufklärungsarbeiten und Trainings, wie man bei Vergiftungen schneller reagieren kann, um den Tatort zu sichern und weitere Opfer zu vermeiden. Die meisten Vergiftungen passieren, weil Farmer Nutzvieh vor anderen Raubtieren schützen wollen. Aber es werden auch manchmal Geier verfolgt und sie oder ihre Nester mit Steinen beschmissen, aus Angst, dass sie Nutzvieh töten. Rückstände von Diclofenac und anderen geiertödlichen Wirkstoffen wurden zwar bisher noch in keinem Bartgeier im Süden Afrikas nachgewiesen, aber dennoch wird viel Aufklärungsarbeit durchgeführt, damit es gar nicht erst zu solchen Verlusten kommt.
  • Es gibt mehrere Geierrestaurants, die eng kontrolliert werden (Verständnis der Besitzer, Häufigkeit des Futters, Entfernung von Bleikugeln nach Tötung der Nutztiere etc.). Manche Geierrestaurants wie Giants Castle und Golden Gate Park können besucht werden, andere befinden sich auf privaten Farmen.
  • In Afrika ist Muthi weit verbreitet, eine Art Aberglaube bzw. traditionelle Medizin. Einheimische glauben zum Beispiel, dass das Rauchen von getrocknetem Geierhirn einen Blick in die Zukunft ermöglicht. Auch das Tragen von Geierkörperteilen soll Glück bringen. Aus diesem Grunde werden zahllose Geier getötet und auf Märkten illegal verkauft. Bartgeier sind hiervon aktuell weniger betroffen. Dies liegt vermutlich daran, dass sie seltener vorkommen als andere Geierarten und daher weniger gefangen werden. Außerdem werden sie aufgrund ihres adlerähnlichen Aussehens häufig nicht für Geier gehalten.
  • Die südafrikanische Unterart ist kleiner als die europäische Hauptart. Der Kopf der südlichen Bartgeier ist dabei deutlich als im Norden. Eigentlich haben alle Bartgeier weiße Brustfedern. Sie baden jedoch mit Vorliebe in eisenoxidhaltigem Schlamm, wobei sich ihre Brustfedern orange/rot färben. Die Flügel werden nicht in den Schlamm getaucht, sondern beim Baden nach hinten abgespreizt. Es wird vermutet, dass mit dem Schlamm Milben bekämpft werden sollen und es sich nicht um ein Schönheitsmerkmal für die Balz handelt. Bartgeier haben manchmal verschiedene Nester, in denen sie zwar Futter sammeln, aber nur in einem einzigen Brüten. Das Futter lockt natürlich Milben und anderes Ungeziefer an, das beim nächsten Nestbesuch das Gefieder des Geiers befallen kann. Werden Bartgeiern in Gefangenschaft keine passenden Schlämme zur Verfügung gestellt, bleibt ihr Gefieder weiß.

Vielen Dank an Sonja Krüger für den spannenden Geiervortrag und weiterhin viel Erfolg an alle Beteiligten des Bearded Vulture Recovery Programme!

Alle Bilder (c) Sonja Krüger

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