Auf Einladung des weltweiten Bartgeier-Experten Dr. Hans Frey ging es heute zehn Stunden mit dem Zug nach Wien, Österreich, um für eine Woche die Eulen- und Greifvogel-Station Haringsee (EGS) zu besuchen. Ein großer Teil der EGS ist die Bartgeier-Zuchtstation, in der sich zur Zeit meines Besuches 23 prachtvolle Bartgeier unterschiedlichen Alters befanden. Dr. Hans Frey unterstützt mit seiner Zuchtstation bereits seit 1976 die Bartgeier-Wiederansiedlung in den Alpen und ist Zuchtbuchführer. Immer wieder verpaart er neue Bartgeier-Pärchen unterschiedlicher Gen-Linien und nutzt sehr erfolgreich invalide Bartgeier als Ammen. Die zahlreichen Volieren befinden sich direkt in Hans' Garten, traumhaft!!!
Bartgeier kenne ich bisher nur aus Zoos und Büchern, habe aber noch nie mit ihnen gearbeitet. Umso schöner nun die Chance Infos vom größten Bartgeier-Experten persönlich zu erhalten!
Auf verschiedene Themen rund um die prachtvollen Bartgeier werde ich in den kommenden Tagen genauer eingehen. Vorab aber ein bunter Bildermix, um erste Eindrücke von diesen wunderschönen Tieren zu erhalten. Jetzt im Winter ist die Brutsaison im vollen Gange. Die Geierpärchen sind fleißig am Kopulieren, Nester werden ausgebaut und die erste Eiablage steht kurz bevor.
Bartgeier im mit Schafswolle ausgepolsterten Nest:
Ein noch sehr junges Pärchen, leicht an dem noch dunkleren Gefieder zu erkennen. Sind die Bartgeier erwachsen und geschlechtsreif, so wäre ihr Kopf-, Brust- und Bein-Gefieder in ungefärbtem Zustand strahlend weiß. In freier Natur oder bei Bereitstellung spezieller Schlammbäder in Gefangenschaft färben sich Bartgeier gerne rot. Dazu nutzen sie Eisenoxid-haltige Schlämme.
Ein frisch verkuppeltes Pärchen, das sich noch nicht auf einen gemeinsamen Nistplatz festlegen möchte. Daher haben sie jeweils ihr eigenes Nest auf unterschiedlichen Etagen errichtet.
Wenn viel gefuttert wird, wird natürlich auch viel ausgeschieden...
Die Volieren in Haringsee sind speziell für das Zuchtprogramm errichtet worden und können nicht mit Zoo-Gehegen verglichen werden. Hier geht es in erster Linie um die erfolgreiche Zucht, nicht um optische Schönheit - die Zuchtstation ist sowieso nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. In jahrelanger Forschungsarbeit wurden die Volieren immer weiter optimiert, um für die Geier eine möglichst gute Brutumgebung zu schaffen. Jede Voliere hat schattige und sonnige Bereiche, windstille und luftige, es gibt Sitzstangen und genug Platz zum Fliegen. Außerdem frischen Wasser zum Trinken, ein Eisenoxid-Bad zum Färben und genug Futter. Täglich bekommen die Geier vorzugsweise drei unterschiedliche Fleischarten zu mampfen, hauptsächlich Karnickel, Ratten, Meerschweinchen und Wild. Das Fleisch ist den Bartgeiern allerdings eher egal, sie ernähren sich nämlich zu über 95 % von Knochen!!!
Ein Prachtweib!!! Riesengroß, auch ohne ihre leider fehlenden, langen Schwanzfedern.
Die Nisthöhlen in der EGS sind in gut geschützten, relativ flachen Nieschen unter der Volierendecke. In freier Natur brüten Bartgeier vorzugsweise im Gebirge unter Überhängen. Das hat einen ganz logischen Grund: Der natürliche Feind vom Bartgeier(küken) ist der Steinadler. Steinadler greifen Nester vorzugsweise aus der Luft im Sturzflug an. Ein Bartgeier hätte im Falle eines "offen" gelegenen Nestes kaum eine Chance sein Nest zu verteidigen. Liegt das Nest aber unterhalb eines Überhanges, so kann der Steinadler nur langsam und von vorne angreifen. Auf diese Weise liegt der Vorteil beim Bartgeier und er kann sein Küken und sich selber gut verteidigen.
Kleiner Hinweis: Bei Bartgeiern haben sowohl das Weibchen als auch das Männchen einen Bart am Schnabel. Dieser ist eine perfekte Verlängerung des schwarzen Streifens, der oberhalb des Bartgeierauges beginnt. Die roten Ringe um die hübschen Bartgeieraugen leuchten ürbigens umso roter je aufgeregter der Bartgeier ist.
Wofür der Bart wirklich nützlich ist, ist bisher noch nicht abschließend geklärt.
Die Nachbarschaft kann sich wirklich glücklich schätzen! Ich hätte auch gerne von meinem Fenster aus einen freien Blick auf Geier-Volieren!!!
In der EGS erblickten bereits geschätzte 100 Bartgeierküken das Licht der Welt. Hinzu kommen noch ca. 50 woanders geschlüpfte Küken, die hier Geier-Ammen zur Aufzucht gegeben wurden. Was für ein großer Erfolg!!! Aber warum eigentlich eine Bartgeierzuchtstation? Ganz einfach: Vor vielen, vielen Jahren war der majestätische Bartgeier in den Alpen ausgestorben, da er gnadenlos gejagt wurde. Und das hauptsächlich aus dem Irrglauben Bartgeier würden Nutzvieh Berghänge hinabstoßen oder Babys aus Kinderwagen entführen. Was für ein Schwachsinn!!! In Wahrheit ernährt er sich hauptsächlich von den Knochen verendeter Tiere, deren Fleisch bereits andere Tiere gefressen hatten - vor allem während der Lawinen-Saison, wo viele (Nutz-)Tiere in den Schneemassen verenden.
Das Wiederansiedlungsprojekt des Bartgeiers in den Alpen wurde 1976 ins Leben gerufen und der erste Bartgeier um 1986 ausgewildert. Mittlerweile leben wieder ca. 200 Bartgeier in den Alpen. Es haben sich bisher nur wenige Paare gebildet, die ersten erfolgreichen Bruten in freier Wildbahn wurden aber schon beobachtet! Ein großer Erfolg, aber vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Das Bartgeier-Töten geht nämlich leider weiter, ob aktiv durch Abschuss oder passiv durch Fressen von vergiftetem Jagdwild, da Jäger in den Alpen noch immer bleihaltige Munition benutzen.
Mit gut 3 m Spannweite ist der Bartgeier ein Riese am Himmel! Für die einen majestätisch anzuschauen, für die anderen vermutlich noch immer angsteinflößend.
Die Sitzstangen in den Volieren sind immer so eingerichtet, dass auch Geier mit Flügelproblemen immer ihre hochgelegene Bruthöhle erreichen können.
So ein Bartgeiernest ist wirklich flauschig ausgepolstert. Dafür wird ihnen in der EGS extra viel Schafswolle zur Verfügung gestellt.
Ein Geierküken braucht bei den eisigen Temperaturen in den Bergen schließlich ein gut isoliertes Nest, um sich wohl zu fühlen. Ist die Wolle irgendwann durch zu viel Liegen zu kompakt geworden, so zupfen Bartgeier sie wieder locker, damit die Wärmeisolierung wieder gut funktionieren kann.
Süßer Schulterblick.
Junggeier mit noch vielen dunklen Flecken im Gefieder.
Je mehr sich ein Bartgeier-Pärchen mag, desto näher rücken sie zusammen, bis sie schließlich Flügel an Flügel sitzen. Nicht selten knabbern sie sich dann liebevoll gegenseitig im Gefieder herum.
Neben den 23 Bartgeiern befinden sich zur Zeit auch zwei süße Schmutzgeier-Pärchen in der EGS.
Bei all der Geierfreude möchte ich aber auch erwähnen, dass Hans Frey neben dem Bartgeierzuchtprogramm auch eine Sumpfschildkröten- sowie Habichtkauzzucht betreibt und sich außerdem um verletzte Tiere vieler Arten (wie Uhus, Krähen, Störche, etc.) kümmert. Ein toller Ort und wahnsinnig viel zu lernen!!!
Schöner Artikel und tolle Fotos!!!
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